Die Saison 2024 starte ich im selben Land, wie ich die Saison 2023 abgeschlossen habe: in Griechenland. Beim Hinflug wird meine Sitznachbarin plötzlich zum «Klammeraffen»: Ich döse vor mich hin, als mich plötzlich kalte Hände am Arm packen. Heftige Turbulenzen – Free-fall-feeling inklusive – kündigen beim Anflug auf Athen bereits das schlechte Wetter an: Anstatt Sonne und Wärme erwartet uns Starkregen bei kalten Temperaturen. Radkoffer und Koffer sind klitschnass, als ich sie in Athen entgegennehme – nicht gerade optimal, um sie in ein Mietauto zu verladen. Es regnet kräftig. Griechenland entpuppt sich schnell wieder als Abenteuer-Reise. Die Ausfahrten auf der Autobahn liegen ab und zu nur wenige hundert Meter auseinander. Ohne integriertes Navigationssystem im Auto und mit Google Maps, welches im entscheidenden Moment ausnahmsweise nicht hereinzoomt, nehme ich prompt die falsche Ausfahrt und lande auf chaotisch anmutenden Strassen. Der starke Regen macht die Situation nicht gerade einfacher. Die Strassen stehen teilweise komplett unter Wasser. Mit dem gemieteten Auto musste ich durch tiefe Pfützen – fast schon kleine Seen – fahren.
Bei der Unterkunft werde ich dann bereits ein nächstes Mal gefordert, resp. lasse ich das Auto kurz stehen, um sicher zu gehen, dass ich am richtigen Ort bin. Die Strasse – oder wie man das auch nennen will – ist enorm steil und glitschig. Zu Fuss rutsche ich beinahe aus. Der Vermieter empfiehlt mir, eine etwas weniger steile Zufahrtsstrasse zu nehmen. Das Problem ist nur, dass ich zu einem späteren Zeitpunkt von anderen Bikern so zuparkiert wurde, dass ich nicht wenden kann und in die steile Strasse einbiegen muss. Das andere Auto steht so, dass ich die Kurve relativ eng fahren und ich Angst haben muss, dass das Auto kippt.
Am nächsten Tag werde ich von Google Maps erneut enttäuscht bzw. herausgefordert: Bei der Anfahrt zu Strecke werde ich ein schmales Strässchen hinaufgelotst, welches bald in einem Mergelweg mit tiefen und breiten Wasserrinnen endet. Hätte ich bloss ein geländetaugliches Auto erhalten… Kehren ist fast nicht mehr möglich, aber irgendwie gelingt es mir dann doch noch.
Bei der Besichtigung der Rennstrecke am frühen Samstagmorgen treffe ich eine spezielle Stimmung an. Im Pinien-Wald ist es schön ruhig – nur die Meisen sind hörbar – und es duftet fein nach Nadeln. Bei Start/Ziel, mehr Richtung Meer, höre ich Möwen. Kindheitserinnerungen an zwei komplett unterschiedliche Regionen werden wach: Aletschwald und die Nordseeinsel Föhr.
Am nächsten Tag heisst es nach 133 Tagen endlich wieder 3,2,1 Vollgas. Nach der Saisonvorbereitung ist meine Nervosität jeweils besonders gross. Sind doch einige Wochen seit dem letzten Renneinsatz vergangen und Massenstarts beispielsweise wieder etwas ungewohnt. Trotz bereits intensiven Trainings sind die Rennen jeweils eine nochmals intensivere Belastung. Das Rennen in Salamina, welches zur höchsten Klasse neben dem Weltcup zählt, entpuppt sich etwas als Kaltstart bzw. Systemschock: Bereits in der ersten Runde bekomme ich Krämpfe in den Beinen. Dennoch kann ich lange um Rang 4 und 5 fahren. Sobald ich an einer Gruppe Fahrerinnen vorbeikomme, welche ich gerne früher überholt hätte, setze ich mich gleich ein wenig von ihnen ab, gefolgt von Paula Gorycka. Einmal wähle ich am Ende eines längeren Anstiegs eine etwas weitere Linie, bei welcher ich mehr Tempo mitnehmen kann. Aber prompt überholt mich dort Paula Gorycka und drängt mich ab. Ich versuche ihr zu folgen, muss aber mit der Zeit eine Lücke reissen lassen. Später schliessen Yana Belomoina und noch etwas später Lotte Koopmans zu mir auf und überholen mich. Ich halte das Hinterrad der beiden KMC Ridley MTB Racing Team-Kolleginnen, bis ich an einem der steilsten Abschnitte im Anstieg einen Fehler begehe und kurz vom Rad muss. Es entsteht eine grössere Lücke. In den letzten beiden Runden komme ich nochmals näher zu Lotte und Paula. Ich mobilisiere meine letzten Kräfte, versuche jeden Anstieg nochmals etwas schneller zu fahren. Am Ende reicht es mir aber knapp nicht, diese beiden einzuholen. Schlussendlich fehlen mir 2 bzw. 7 Sekunden auf die Ränge 7 und 6. Ich beende das Hors Class Rennen auf dem 8. Rang. Nach den Krämpfen in der ersten Runde doch ein gelungener Saisonauftakt.
Ein paar Stimmungsbilder, als ich am frühen Morgen kurz die Bedingungen geprüft habe.
In den Trainings wähle ich nach meinen Erfahrungen im Herbst diesmal eine andere Route bzw. beschränke mich auf einen kleineren Umkreis und fahre einen Teil der Strecke mehrfach. Immerhin gelingt es mir so, den Bikerinnen nicht immer freundlich gesinnten Hunden aus dem Weg zu gehen. Was die Trainings zusätzlich bereichert: Auf der Insel ist es schon sehr frühlingshaft (nicht unbedingt temperaturmässig) und an manchen Orten wunderschön.
Frühlingshafte Stimmung auf der Insel Salamina.
Am Dienstag wechsle ich nach Karyes, aufs Festland und in die «Berge». Karyes befindet sich in der Nähe von Sparta und liegt auf rund 900m.ü.M. Dementsprechend ist es noch kälter und aufgrund des gefallenen Regens geradezu ungemütlich frisch.
Beim zweiten Rennen meines Griechenland-Aufenthalts verliere ich in der ersten “richtigen” Runde – zuvor sind wir bereits eine kleinere Startrunde gefahren – den Anschluss an die Spitze. Danach fahre ich ein einsames Rennen und kann die vorderen Athletinnen leider nicht mehr einholen. Am Ende reicht es mir zu Rang vier.
Beim zweiten Rennen in Karyes, dem dritten insgesamt, gelingt mir ein guter Start. Beim Anstieg nach dem Start versuche ich, innen vorbei an die Spitze zu kommen, doch Kate Courtney macht mir dann zu. Ich verliere Tempo. Ende des Anstiegs zwischen den Häusern möchte ich an Candice Lill vorbei, doch dies gelingt mir erneut nicht. So gehe ich hinter ihr in den Single-Trail. Kate Courtney kann bereits eine kleine Lücke reissen. Mit der Zeit kann ich das Tempo nicht mehr mitgehen, und es überholt mich auch noch Kelsey Urban. Somit muss ich die grösste Zeit des Rennens wieder alleine fahren. Schlussendlich resultiert wieder der 4. Rang.
Aufgrund der Leistungstests habe ich mir von den Rennen in Griechenland insgeheim noch etwas mehr erhofft, doch die Konkurrenz scheint ebenfalls super in Form zu sein… Doch es ist noch zu früh, um meine aktuelle Form wirklich einordnen zu können und dies nur anhand der drei Rennen in Griechenland zu tun, wäre “gefährlich” bzw. nicht richtig. Denn die Rennen in Griechenland sind auch etwas speziell. Zuschauer gibt es so gut wie keine, schon fast geisterhaft ist die Stimmung. Ausserdem kommen alle mit einer unterschiedlichen Vorbereitung/Ausgangslage an die Rennen. Dies ist zwar immer so, doch im Verlaufe der Saison gleicht sich dies etwas aus. Gewisse sind z.B. bereits früher in die Saison gestartet, für mich waren es die ersten Rennen dieser Saison. Die nächsten Wettkämpfe in der Schweiz werden mir dann mehr Aufschluss geben, wo ich mich aktuell leistungsmässig wirklich befinde. Dementsprechend freue ich mich auf den Schweizer Saisonstart dieses Wochenende (17. März, 12.00h) in Gränichen!
Weitere Impressionen von Karyes.
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