Rund zwei Wochen nach dem Rennen in Gstaad starte ich zum Renn-Abenteuer Griechenland: Sechs Rennen innert zwölf Tage stehen auf dem Programm. Doch die Herausforderung begann eigentlich bereits vor der Abreise: Gewichts- und Volumenbegrenzungen vom Gepäck können einen für die Reise an Mountainbikerennen zur Verzweiflung bringen. Zumal die Rennen in Griechenland etwas abgelegen sind, kein Teamfahrzeug dabei ist und bei Bedarf auch nicht gleich ein Velogeschäft um die Ecke wäre. Irgendwie schaffe ich es doch noch, die Limiten einzuhalten, wobei ich auf einige Utensilien verzichten muss. Bleibt zu hoffen, dass alles ganz bleibt… Natürlich befinden sich Gepäckaufgabe, Check-In und unser Gate jeweils am komplett anderen Ende des Flughafens. So bin ich schon, bevor ich im Flieger sitze, total verschwitzt.
In Athen angekommen, geht die Reise mit Auto und Fähre weiter, bis wir Kanakia auf der Insel Salamina erreichen.
Bei schöner Abendstimmung drehen wir noch ein paar Runden auf der Rennstrecke, welche sich unweit unserer Unterkunft und dem Meer befindet. Bei fortgeschrittener Dämmerung möchte ich zum Haus zurückkehren, als plötzlich ein grosser, bellender Hund vor mir steht. Als ich in die Strasse einbiege, welche zu unserer Unterkunft führt, setzt mir der grosse Hund nach. Weiter vorne mache ich die Umrisse zweier weiterer Hunde aus, welche bellen. Diese machen später zum Glück kehrt und als mehrere Personen aus diversen Häusern rufen, beruhigt sich auch der grosse Hund hinter mir.
In der ersten Nacht finde ich kaum Schlaf, anscheinend haben sich die Tiere hier auf die Stirn geschrieben, mich zu plagen. Draussen werde ich von Hunden verfolgt und drinnen werde ich fast von den Tigermücken aufgefressen. Der Perskindol Cool Gel, welcher zwar nicht gegen Mückenstiche gedacht ist, aber trotzdem zu nutzen scheint, schafft etwas Abhilfe. Ab diesem Zeitpunkt ist jeden Abend vor dem ins Bettgehen der Kampf gegen diese fiesen Kerle angesagt.
Am nächsten Tag, Mittwoch, steht bereits das erste Rennen an. Griechenland, ein Land, in dem nicht nur FahrerInnen am Rennen teilnehmen – sondern auch Hunde. Nach wenigen Metern macht die Strecke eine 180°-Kurve. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie ein Hund von der Seite her anzupreschen kommt. Ich habe einen schlechten Start erwischt. Dies ist normalerweise schon suboptimal, aber diesmal ist es nochmals etwas ungünstiger: Denn so befinde ich mich hinten im Feld und bin im Visier des Hundes. Kurzzeitig bricht nebst der Hektik des Starts im hinteren Teil des Feldes auch etwas „Panik“ aus. Nun gilt es also, möglichst schnell nach vorne zu kommen – was eigentlich auch sonst der Plan gewesen wäre. 😉 Ich kann mich etwas nach vorne arbeiten und mich so unter die anderen mischen. Der Hund lässt später aber von uns ab. Das Rennen ist mehr oder weniger ein „Geister“-Rennen. Zuschauer hat es so gut wie keine und die Stimmung ist relativ speziell. Mein Rennen ist durchzogen: Es gibt sowohl gute als auch schlechte Phasen. Immerhin weiss ich, was aktuell zu funktionieren scheint und was nicht. Trotzdem reicht es mir zum 4. Rang. Im Ziel bin ich zuerst kurz etwas verunsichert. Keine Durchsage, keine Angaben oder Zeichen, dass das Rennen beendet ist. Habe ich die Runden richtig gezählt? Die Fahrerinnen vor mir sind aber auch im Ziel.
Das Cool-Down machen wir am Strand. Zwischenzeitlich halten wir den Jungs noch zwei Bidons hin, damit sie diese wechseln können. Wir sind ohne Staff und Team angereist. Es gilt sich möglichst schnell zu erholen, denn morgen geht es schon weiter.
Während dem zweiten Rennen fühle ich mich besser als am Tag zuvor und kann aktiver fahren. Schlussendlich reicht es mir erstmals diese Saison auf das Podest.
Nach einer etwas hektischen Anreise und dem Auftakt mit zwei Rennen in zwei Tagen stehen nun zwei lockere Tage auf dem Programm. Zeit, etwas die nähere Umgebung zu erkunden.
Die schöne Landschaft auf der Insel trügt. Überall liegt Abfall herum und „ziert“ nebst Blumen den Boden. Am Samstag drehe ich nochmals ein paar Runden auf der Strecke, nicht dass ich sie noch vergesse. 🤪 Doch tatsächlich entdecke ich neue Linien. 😉
Beim letzten Rennen auf der Insel Salamina geht mein Plan leider nicht auf. Die Beine fühlen sich nicht wie erhofft an. Trotzdem kann ich nochmals einen 4. Rang herausfahren.
Am Montag, bevor wir nach Vresthena wechseln, schwinge ich mich, sobald es dämmert, für ein Training aufs Rad. Ich habe mir eine Route ausgesucht, welche auch durch möglichst schöne Landschaften führen soll. Denn in den Städten herrscht eher etwas Chaos. Schon bald stellt sich aber heraus, dass man auf griechischen „Strassen“ besser mit dem Mountainbike unterwegs ist – welches ich zum Glück dabeihabe – und vlt. einen Pfefferspray mitnehmen sollte. Die erste Abfahrt führt über eine Schotter-Strasse mit Schlaglöchern und Gräben.
Aber dies sollte mein kleinstes „Problem“ bleiben. Die Route führt zu Beginn durch kleine Weiler und Dörfer. Es dauert nicht lange und ich werde von einem bellenden Hund verfolgt. Spätestens nach den ersten und v.a. sich wiederholenden Begegnungen mit den Hunden sind meine Sinne geschärft. Sei es bei Abfallcontainer, Gebüschen oder wo auch immer. Die Hunde können jederzeit aus dem Dickicht hervorpreschen, was mit dem Velo nicht ganz ungefährlich und v.a. gepaart mit ihrem Verhalten sehr unangenehm ist. Ich weiss nicht, wie häufig ich Hunde anschreien musste, damit sie Distanz zu mir hielten und mich nicht verfolgten, oder ich anhalten musste, bis sie sich beruhigt haben.
In einem Anstieg ausserhalb eines Dorfes sehe und höre ich von weitem drei Hunde, welche bereits auf mich zukommen. Ich verlangsame und halte an. „Komme ich irgendwie an ihnen vorbei oder wo soll ich durchfahren?“, geht es mir durch den Kopf. Umkehren ist keine Option. Ein paar Meter zuvor wurde ich bereits von einem anderen Hund verfolgt. Andere Wege/Strassen gibt es nicht. „Ich bin in der Falle…“. Ein Auto fährt an mir vorbei. Gespannt beobachte ich, wie die Hunde reagieren und traue meinen Augen nicht. Sie rennen auf das Auto zu und möchten es „attackieren“, sodass dieses eine Vollbremse ziehen muss. Es kann dann aber weiterfahren. „Ich warte auf jeden Fall besser hier.“ Das Rudel bewegt sich langsam in eine andere Richtung. Ich bleibe stehen, bis ich das Gefühl habe, dass sie auch wirklich nicht mehr umkehren werden und mich nicht mehr hören können beim Fahren. Zum Glück geht mein Plan auf und ich kann passieren.
Etwas später erreiche ich grössere Dörfer/kleine Städte. Auch dort gibt es Hunde, aber ihr Temperament ist ganz anders: Hier kann ich ohne Probleme an den schlafenden Hunden vorbeifahren. Meine Anspannung lässt etwas nach, trotzdem muss ich noch auf der Hut sein.
Als ich wieder bei der Unterkunft ankomme, bin ich froh, noch ganz zu sein. Noch am selben Tag zügeln wir aufs Festland, weg vom Meer. Denn die nächsten Rennen finden mehr in den „Bergen“ statt: Genauer genommen in Karyes, rund 35 Autofahrminuten von Sparta entfernt.
Der Untergrund und das Streckenprofil in Karyes ist ganz anders als noch in Kanakia. Aufgrund der höheren Lage und leichtem Regen sind die Steine teilweise schliefrig. Gestartet wird hier im Dorf. Zwischen den Häusern geht es dann steil Richtung „Weideland“, bevor die Strecke wieder zurück in die Häuser führt.
Am Donnerstag der zweiten Woche ziehe ich einen schwarzen Tag ein – nachdem ich bereits wenige Minuten vor dem Start aus heiterem Himmel einen Hustenanfall hatte. Aufgereiht für den Start hört man mich immer noch husten. Ich leide von Start bis Ziel. Wenigstens reicht es nach dem Rennen zu einem lobenden Kommentar von einer Konkurrentin, nachdem ich die Gruppe, in welcher ich unterwegs war, einmal versuchte unter Druck zu setzen. Doch mehr als Eindruck hat es nicht hinterlassen, denn mein Plan ist gescheitert.
Langsam spüre ich die Müdigkeit im Körper – 4 von 6 Rennen sind bereits gefahren. Und für die letzten beiden müssen wir früh aufstehen. Da hilft nur laute Musik im Auto, um etwas auf Touren zu kommen. 😉 Am Tag nach dem Leistungstief fühle ich mich wieder besser. Kurz nach Start/Ziel in der drittletzten Runde attackiert Chrystelle Baumann, meine Reisekollegin – „Was für ein Antritt!“. „Ist ihr bewusst, dass wir noch drei Runden zu fahren haben?“ Vor dem Singletrail-Abschnitt gelingt es mir aber, sie wieder zu überholen. Ab dann wird praktisch nur noch Vollgas gefahren. Die Positionen 4-7 sind stark umkämpft. Attacke nach Attacke folgt: Einmal Yana Belomoina, dann wieder Malene Degn, dann wieder ich usw. Langsam aber sicher zeigt sich der Abnützungskampf und es gehen Lücken auf. Yana schafft es, mich etwas zu distanzieren. Mit der Zeit komme ich ihr aber wieder näher und kann sie, als sie einen Plattfuss einfängt, überholen und mir Rang 4 sichern.
Im allerletzten Rennen der Saison habe ich mir zum Ziel gesetzt, nochmals aufs Podest zu fahren. Ich fahre sehr aktiv und beschleunige aus jeder Kurve. Das Gefühl ist viel besser als auch schon diese Saison. Es gelingt mir, mit Malene Degn im Schlepptau, zur Drittplatzierten aufzuschliessen. Später habe ich das Gefühl einen Platten zu haben und fahre vorsichtiger, weshalb eine Lücke aufgeht. Mir scheint der „Luftverlust“ aber trotzdem zu klein, als dass es Sinn machen würde, das Rad zu wechseln. Der Wechsel würde zusätzliche Sekunden kosten und mich zurückwerfen, da ich es selber machen müsste. So fahre ich wieder mit mehr Überzeugung, in der Hoffnung, der Reifen hält oder das Dichtemittel darin hat vlt. wieder dicht gemacht. Zwar immer noch mit dem Gedanken eines möglichen platten Reifens im Kopf, aber im Bestreben, meinen Rückstand wieder wettzumachen und dem Ziel eines Podestplatzes, gelingt es mir, zu Lia Schrievers aufzuschliessen und sie zu überholen. Auch Malene Degn komme ich wieder näher. In der letzten Runde komme ich aber auf die glorreiche Idee, kurz etwas zu trinken, weil ich Angst hatte, dass ich sonst Krämpfe bekommen würde. Ich war schon langsam am Limit… Und dann bekomme ich den Bidon nicht sogleich in den Bidonhalter und muss schauen, dass ich nicht umfalle, weil ich mit Bidon in der Hand über einen grösseren Stein fahre und verliere deshalb nochmals ein paar Sekunden. Im zweiten Rennblock lieferte ich mir jedes Mal einen Kampf mit Malene Degn, wenn auch es sich täglich um Positionskämpfe für andere Ränge handelte. Am Schluss steht aber leider 2:1 für sie, nachdem ich sie nicht mehr überholen konnte. 😉 Somit verpasse ich das Podest schlussendlich knapp, kann aber mit dem besten Gefühl der ganzen Saison in die Saisonpause gehen.
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[…] den Trainings wähle ich nach meinen Erfahrungen im Herbst diesmal eine andere Route bzw. beschränke mich auf einen kleineren Umkreis und fahre einen Teil […]