Dauerregen verwandelte den sonst eher trockenen Boden im Fichtenwald von Nové Město na Moravě (CZE) zu einem riesigen Schlammbad. Bereits am Donnerstag bei der Reise fuhren wir an braunen und reissenden Bächen vorbei und auf den Feldern bildeten sich Seen. Um ohne nasse Füsse vom Parkplatz zum COVID-19-Testzentrum zu gelangen, mussten wir einen Hindernislauf um die zahlreichen Pfützen absolvieren. Vor Betreten der Vysočina Arena (Biathlon Arena) war es Pflicht, sich einem PCR-Test im Labor vor Ort zu unterziehen. Eintritt erhielt nur, wer ein negatives Resultat, das nicht älter als 72h war, vorwies. Um dies zu kontrollieren, liefen wir diesmal nicht wie Weihnachtsbäume, geschmückt mit farbenfrohen Bändeln, umher, sondern getarnt als Verkaufsprodukt. Ein Strichcode ermöglichte den Organisatoren zu überprüfen, ob das negative Testresultat aktuell ist.
Aufgrund des PCR-Test, welcher in Tschechien gemacht werden musste, konnte ich erst am Freitag auf die Strecke. Das erste Mal schaute ich mir die Mehrheit der Schlüsselstellen zuerst zu Fuss an, um diese auch aus einer anderen als der Fahrer-Perspektive zu kennen und so die verschiedenen Linien einzuprägen. Nach dem “Track Walk” war es nun Zeit, mit dem Bike die Strecke zu erkunden, die verschiedenen Linien auszuprobieren und eine Linienwahl zu treffen. Dabei stellte sich heraus, dass das Fahren gewisser Linien einfacher gesagt als getan war 🙈.
Am Abend klarte der Himmel zwischenzeitlich auf, sodass wir uns aus der Ferienwohnung getrauten, um das Shorttrack-Rennen der besten 40 Athletinnen und Athleten live vor Ort zu verfolgen.
Der Sonnenschein war jedoch nur von kurzer Dauer. So regnete es auch am Samstag mehrheitlich. Flo’s Kauf von Gummistiefeln in Tschechien hat sich mehr als gelohnt! Der Schlamm wurde richtig flüssig. Doch das Fahren auf der Strecke bei diesen verrückten Bedingungen machte unglaublich Spass 🤩! Nach wenigen Sekunden realisierte ich bereits nicht mehr, dass es regnete, denn ich war sogleich platschnass und mit Schlamm bedeckt. Nun spielte es auch keine Rolle mehr, ob man noch durch die eine oder andere zusätzliche Schlammlache fuhr.
Bereits letzten Herbst war die Strecke schlammig, aber im Vergleich zu jetzt muss man die Bedingungen im Herbst schon fast „trocken“ nennen. Auf der Strecke in Nové Město na Moravě kann kaum ein Meter gefahren werden, ohne eine Wurzel zu touchieren. Es wimmelt nur so von nassen und rutschigen Wurzeln! Ab und zu boten sie in den Aufstiegen aber doch noch mehr Halt als der schmierige Untergrund. Wo keine Wurzeln vorhanden waren, zierten Steine u.a. in Form von „Rockgarden“ (Steingärten) die Strecke. Der durch die Reifen abgelagerte Schlamm auf den Steinen verwandelten insbesondere die Aufstiege in eine wahre Herausforderung.
Am Sonntag wenige Minuten vor dem Rennen finde ich mich in den Call-Up-Boxen ein. Beim Ausziehen der Beinlinge bleiben meine Schuhe fast im Schlamm stecken. Ich muss schauen, dass sie nicht zu stark versinken, sonst habe ich bereits vor dem Start Schlamm in den Schuhen! Als meine Nummer aufgerufen wird, fahre ich durch das Schlammfeld, um mich ganz zuhinterst im Startfeld einzureihen. Dabei werde ich bereits vollgespritzt. Sobald um 11.20h das Licht von rot auf grün wechselt, sprinten wir los – endlich können wir uns im Schlamm suhlen! Wer erreicht zuerst das Schlammbad 🤪😉? Beim Beschleunigen muss ich aber schon wieder abbremsen, da es einen Sturz gab.
Sobald es in den Aufstieg geht, nutze ich den Platz am Rand des Weges, um mich nach vorne zu arbeiten. Als es das erste Mal schmal wurde, gab es erstmals etwas Zeit zum Erholen, denn ich konnte nur mit angezogener Handbremse runterfahren. Das Schneckentempo reicht somit auch nicht, um bei einem Sprung in der vorgesehenen Landung zu landen, sondern ich muss, um nicht gleich auf anderen Fahrerinnen zu landen, ins Flache springen. Im nächsten Aufstieg versuche ich mich, während andere bereits laufen, über die Wurzeln an ihnen vorbeizufahren. Nachher gibt es aber kein Durchkommen mehr, weshalb ich auch zu Fuss weiterrennen muss. Später gibt es viele Passagen, welche ich, taktisch gesehen, zu Fuss zurücklege, insbesondere, wenn die Fahrerinnen vor mir bereits vom Bike gestiegen sind. Gerne wäre ich mehr gefahren, doch im Rennen kommt es nicht darauf an, wer wie viel fährt, sondern wer wie schnell im Ziel ist…
In den weiteren Runden kämpfe ich bei den schlammigen und deshalb rutschigen Aufstiegen teilweise etwas damit, meine Kraft auf den Boden und nach vorne zu bringen. Von Zeit zu Zeit werde ich von wenigen Fahrerinnen überholt. Umso mehr staune ich, als auf einmal die ehemalige Weltmeistern Kate Courtney vor mir auftaucht. Aufgrund eines Sturzes und dadurch beschädigten Bremshebel musste sie in der Techzone einen längeren Zwischenstopp einlegen. So war ich für kurze Zeit auch wieder gross in der live-Übertragung zu sehen (auch wenn nicht ganz aus dem von mir erhofften Grund…). Lange konnte ich ihr Hinterrad jedoch nicht halten, denn sie sprintete sogleich los.
Erst in den letzten Runden, nachdem ich zuvor meistens keine freie Fahrt hatte, fand ich in meinen „Flow“. Zu Beginn der zweitletzten Runde sage ich mir, dass ich so fahren möchte, wie wenn es meine letzte wäre, falls ich nicht mehr auf die letzte Runde darf und so noch Plätze gutmachen kann, also versuche ich nochmals schneller zu pedalieren. Da ich diesmal nicht frühzeitig aus dem Rennen genommen wurde, darf ich also in der letzten Runde nochmals Vollgas geben. Dies gelingt mir erstaunlich gut: In den letzten beiden Runden konnte ich nochmals mehr Ränge zurückgewinnen, als ich zwischenzeitlich verloren habe. So beende ich das Rennen mit Startnummer 127 auf dem 63. Rang und bin glücklich darüber, dieselbe Rundenzahl aufzuweisen, wie die Gewinnerin 😊.
Ein grosses Danke geht an Swiss Cycling, welche es mir ermöglicht haben, in Tschechien am Start zu stehen und weitere wertvolle Erfahrungen im Weltcup zu sammeln. Vielen Dank auch an meinen sehr spontanen Betreuer Flo fürs Chauffieren und die Unterstützung vor Ort. Herzlichen Dank an Peter Wyss für den Service, welchen das Bike nach solchen Bedingungen benötigt, damit es wieder bereit ist für das nächste Rennen!
Nun geht es in etwas mehr als einer Woche mit der Schweizermeisterschaft in Gstaad weiter. Mit den guten Erinnerungen an das Rennen auf der gleichen Strecke im 2020 und einer leichten Aufwärtstendenz meiner Form freue ich mich bereits auf dieses nächste Saisonhighlight!
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