Die Vorfreude auf mein Heimrennen, dem Bikefestival Basel, ist gross. Nachdem das Rennen 2020 aus bekannten Gründen nicht stattfinden konnte, kann es nun 2021 wieder durchgeführt werden – und dies erst noch vor Zuschauern! Rund eineinhalb Wochen zuvor erfuhr ich jedoch, dass ich mir beim Sturz in Les Gets ein gerissenes sowie ein angerissenes Seitenband beim Ellbogen zugezogen habe und der Knochen einen Riss hat. Dank der Unterstützung der crossklinik, vielen Physiotherapie-Stunden und noch mehr Tapes sollte der Start jedoch möglich sein.
Gemeldet war ein hochkarätiges und sehr internationales Startfeld: Nicht weniger als 60 Frauen standen auf der Liste, darunter die Olympia-Medaillen-Gewinnerin Linda Indergand. Von meiner Startposition in der Mitte des Feldes kann ich mich auf der ersten Bahnrunde erfreulich gut nach vorne kämpfen. Neben Kate Courtney und hinter Laura Stigger verlasse ich in der zweiten Reihe fahrend das Oval.
Mit jedem gefahrenen Meter wird es hinten im Feld zunehmend hektisch, prompt kracht es. Doch zum Glück bin ich für einmal weiter vorne eingereiht. Beim Aufstieg der Bananenbrücke wird das Tempo erwartungsgemäss erhöht und um jede Position gekämpft. Eingangs Wald, beim Einstieg zum Trail wird es abrupt eng, und es kommt zum Stau. Da ich relativ weit vorne platziert bin, verliere ich so nicht viel Zeit und kann bald wieder mit vollem Einsatz den Berg hochwuchten. In Einer-Kolonne kämpfen wir uns das erste Mal den steilen Anstieg zum höchsten Punkt des Rennens hoch. Die Beine brennen das erste Mal so richtig, und das Herz pumpt beinahe am Anschlag. Mit viel Tempo geht es über die neu eingebauten beiden Sprünge, eine gelungene Aufwertung des Downhills.
Später in der Abfahrt werde ich allerdings ein wenig ausgebremst, sodass ich den Kontakt zur Spitzengruppe etwas verliere. Nach der ersten Runde befinde ich mich so in einer Dreiergruppe um den 14. Rang.
Die nächsten Runde fahre ich in der Dreiergruppe; eine Begleiterin muss bald abreissen lassen, eine weitere Fahrerin hingegen kann zu uns aufschliessen. Im Aufstieg der vierten Runde muss ich diese beiden Fahrerinnen etwas ziehen lassen, doch in der Fläche zurück zur Pferderennbahn kann ich die Lücke wieder schliessen.
Ich gönne mir eine kurze Erholungsphase am Hinterrad im Windschatten, bevor ich auf dem breiten Weg attackiere und links vorbeizufahren probiere: Ich möchte zuerst in den nächsten Trail, damit ich freie Fahrt habe. Beim Überholmanöver werde ich so stark abgedrängt, dass sich unsere Lenker verkeilen und beide heftig zu Boden stürzen – das krachende Geräusch hallt immer noch in meinen Ohren. Ich spüre einen starken Schlag auf den Kopf und natürlich falle ich genau auf den bereits arg lädierten linken Arm! “Sch******!!”, fährt es mir durch den Kopf und stehe schnellstmöglich wieder auf. Nachdem die Konkurrentin nicht gleich auf ihr Bike springt und mir nicht richtig antwortet auf meine Frage, ob alles o.k. sei, komme ich etwas ins Zögern. Was soll ich tun? Da es keine ernsthafte Verletzung zu sein scheint, hole ich mein Bike aus dem Gras, richte meinen Helm und möchte auf das Bike springen. Doch halt, wo ist meine Brille? Ausser dem Bügel ist nichts zu sehen… Praktisch gleichzeitig stelle ich ein gröberes Problem fest: Der Lenker und das Vorderrad stehen total schräg zueinander. Mit Schmerzen in der linken Hand, im speziellen im kleinen Finger, schaffe ich es nicht, den Lenker zu richten, weshalb ich zu Fuss zur Techzone rennen muss. Beim Vorbeirennen teile ich dem Streckenposten mit, dass er bitte nach der anderen Fahrerin schauen soll – doch seiner Reaktion zu vernehmen, braucht sie keine Hilfe. In der Techzone hilft mir Florian Vogel das Bike möglichst schnell wieder fahrtüchtig zu kriegen – vielen Dank an dieser Stelle!
Kein Wunder haben mich unterdessen etliche Fahrerinnen überholt, bis ich das Rennen wieder fortsetzen kann: Für diese Runde brauche ich geschlagene drei Minuten länger als für die bisherigen (knapp 17 Minuten anstatt rund 14). Doch die Zuschauer unterstützen mich mit lauten Zurufen, was mir einen zusätzlichen Motivationsschub verleiht. Den Lenker kann ich mit der linken Hand nicht mehr richtig halten, der kleine Finger und der Ringfinger halte ich automatisch gestreckt. Ich stelle auch fest, dass der Lenker noch nicht hundertprozentig gerade ist. Soll ich es also wagen, die Sprünge zu nehmen? – Ich springe – und die Landung funktioniert erfreulicherweise. Schlussendlich überquere ich die Ziellinie an der 25. Position – nicht gerade das erhoffte Resultat beim Heimrennen; und dies nach einer für mich sehr gelungenen ersten Rennhälfte.
Unterdessen ist mein Ellbogen angeschwollen. Der Helm hat sowohl vorne, hinten und auf der Seite Schaden genommen – mein dritter Helm innert weniger Wochen, der bei einem heftigen Sturz kaputt geht.
Am Montag werde ich in der crossklinik nochmals untersucht und “gerichtet” – vielen Dank, dass ihr immer zu mir schaut! Zum Glück soll der Ellbogen und die Hand nicht weiter zu Schaden gekommen sein, als nach dem Sturz in Les Gets. Doch der Sturz war logischerweise nicht heilungsfördernd, weshalb ich nach dem Weltcup in der Lenzerheide die Saison leider beenden muss 😥.
Die positive Energie von den Zuschauern am Heimrennen wirkt wie Balsam auf die zahlreichen bunten Flecken am ganzen Körper vom Sturz und hilft, meine Enttäuschung über das Rennen zu verarbeiten. Es war richtig schön, wieder einmal vor vielen Zuschauern zu Hause Rennen zu fahren! Vielen Dank für eure Unterstützung, auch wenn das Rennen definitiv nicht nach meinem Gusto verlaufen ist…
Nun freue ich mich, dass ich nach verpasstem Heimweltcup 2019 (aufgrund einer anderen Verletzung), nun doch noch in der Lenzerheide starten darf und erst danach meine Saison frühzeitig beenden muss!
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