Immer wieder wird es im Start- und Zielbereich ohrenbetäubend laut, nicht aufgrund der Zuschauer – es finden immer noch Geisterrennen statt – sondern wegen den landenden oder startenden Privat-Jets und Helikoptern des Flugplatzes in Saanen, gleich neben Gstaad. Gestartet wird der Swiss Bike Cup von Gstaad direkt auf der Flugpiste.
Am Morgen regnete es noch leicht, wodurch die Strecke zu meiner Überraschung ziemlich rutschig wurde. Da der Boden am Tag zuvor bei den Junioren und Juniorinnen sehr trocken war, hätte ich nicht erwartet, dass die Kids am Samstagmorgen relativ schlammig ins Ziel kommen. Zur Streckenbesichtigung durften wir erst ein paar Stunden vor meinem Rennen. Somit kannte ich die Strecke zu dieser Zeit noch nicht, tendierte aufgrund der Streckenführung auf der Karte aber zu einem schnelleren Reifen mit weniger Grip. Dies stellte sich später als richtiger Entscheid heraus, da bis zu meinem Start die Strecke bereits etwas abtrocknen konnte. Nur an wenigen Stellen war es noch rutschig, z.B. auf den Wurzeln.
Da es auf dem ersten, ebenen Streckenkilometer nach dem Start immer enger wurde, fanden gleich nach dem Überqueren der Startlinie bereits hektische Positionskämpfe statt: Alle wollten im schmaleren Abschnitt möglichst weit vorne sein. Vor mir krachte es. Mit viel Glück konnte ich gerade noch dem Massensturz und den herumfliegenden Bikes ausweichen. Wäre die Fahrerin vor mir auf meine Seite gefallen, wäre ich wieder zu Boden gegangen. So musste ich mich aber weit hinten im hochkarätigen Feld einreihen. Sobald es schmaler wurde, gab es immer wieder heikle Bremsmanöver von vorderen Athletinnen: Beschleunigung, Vollbremse, Beschleunigung und wieder Vollbremse. Nach rund 1km war ich froh, dass es endlich bergauf ging, und die Hektik sich wenigstens etwas legte.
Die Strecke war sehr kraftraubend, es gab kaum Erholungsmöglichkeiten: Entweder waren es nur kurze Abfahrten, gefolgt von erneuten knackigen Anstiegen oder die Abfahrt enthielt ständige Richtungswechsel und war ziemlich unruhig. Eine Kurve vor der Überquerung der Saane auf dem Rückweg Richtung Start- und Zielgelände machte allerdings besonders Spass: Denn der rutschige Untergrund war geeignet, um zu “driften” 😊. Kurz vor der Zielgeraden wurde noch ein Pumptrack aus Kies eingebaut. Arm- und Beinarbeit waren gefragt, damit ich genug Schwung hatte, um über die Wellen zu kommen.
In der Geraden stellte sich mir jeweils die Frage: “Fahre ich zu und versuche zu einer Gruppe aufzuschliessen, damit ich nicht alleine im Wind fahren muss oder ist gleich eine Konkurrentin hinter mir, mit welcher ich in der Fläche zusammenarbeiten könnte und lasse sie zu mir aufschliessen?” Doch Einigkeit in einer Gruppe ist so eine Sache… In der zweiten Runde war ich in einer grösseren Gruppe unterwegs und übernahm immer wieder Führungsarbeit. Im Gegensatz zum Spitzenplatz war der zweite Platz in der Gruppe sehr begehrt, Rangeleien und Ellbogeneinsätze das Mittel um diesen zu halten. In späteren Runden war ich in der Fläche in einer Zweiergruppe unterwegs. Teilweise wäre ich gerne etwas schneller gefahren, doch die Fahrerin vor mir schaute immer auf ihren Velocomputer und wollte vermutlich nicht überpacen. So konnte ich mich jeweils in der Fläche etwas erholen, wenn ich selbst nicht im Wind fahren musste. Wäre ich schneller gefahren, hätte ich vermutlich die ganze Zeit Windschatten gespendet und unnötig Körner liegen lassen, weshalb ich mich mit diesem Tempo und der willkommenen Erholung begnügte.
Von Runde zu Runde konnte ich mich weiter nach vorne arbeiten. Lange fuhr ich mit Greta Seiwald aus Italien zusammen, konnte sie allerdings in der 5. Runde im langen und steilen Aufstieg distanzieren. Der vorderen Gruppe kam ich immer näher und fand mit der Zeit den Anschluss – leider aber nur kurz, denn im kurzen Aufstieg auf den Hangar kam die Fahrerin vor mir praktisch zum Stehen, weshalb ich keine Chance hatte, hoch zu fahren und kurz vom Rad musste. Beim Absteigen verfing ich mich in den Speichen und konnte mich gerade noch retten, sodass ich nicht rückwärts den Hang hinunter fiel. Doch dies kostete Zeit und «meine» neue Gruppe war unterdessen natürlich auf und davon…
Ich setzte sogleich wieder zur Aufholjagd an, machte mich in der Fläche klein und trat kräftig in die Pedale. Schon bald war ich wieder an Martina Berta, der Italienischen Meisterin, und Tina Züger dran, überholte das Duo und versuchte sie umgehend zu distanzieren. Was mir in der Fläche nicht gelang, glückte dann im Aufstieg. Ich konnte sogar kurzzeitig zum Entflohenen Duo des ehemaligen Quartetts aufschliessen. Sobald ich sie eingeholt hatte, griffen sie im oberen Teil des Aufstiegs an und legten nochmals einen Zacken zu. Die Aufholjagd hatte zu viel Kraft gekostet, weshalb ich ihre Hinterräder nicht mehr halten konnte und sie ziehen lassen musste. Dennoch fuhr ich in dieser letzten Runde meine schnellste Rundenzeit. So überquerte ich die Ziellinie auf dem 12. Rang (4. Rang U23 und beste U23 Schweizerin) und verpasste die Top Ten dabei nur um 20 Sekunden.
Meine Erleichterung im Ziel war gross, nachdem die letzten Rennen alles andere als nach Wunsch abgelaufen sind: In meinem allerersten Crosscountry-Rennen dieser Saison in Leukerbad war ich selbst in einen Massensturz verwickelt und konnte im darauffolgenden Rennen, der Schweizermeisterschaft in Gränichen, aufgrund der dabei erlittenen Verletzungen nicht das erhoffte Resultat erzielen.
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